Hundt, Herrera, Braunschweig und Crailsheim

Zum ersten Mal in dieser Saison beantworte ich eure Fragen. Vielen Dank für eure Einsendungen. Final sind es dann nur drei Fragen geworden, weil es mir wichtiger war, ausführlich zu antworten als viele Themen nur kurz anzureißen.

Welcher 21Jährige überrascht Dich mehr: Göttingens Bennet Hundt als bester Assistgeber der Liga oder Sebastian Herrera als effektivster Spieler des Überraschungszweiten Crailsheim?

Beide überraschen mich positiv. Aber um die Frage zu beantworten: Seba Herrera noch mehr als Bennet Hundt. Bei dem Ex-Berliner hatte ich eine Vorstellung, was er zu leisten im Stande ist. Ich habe ihn als Jugendnationalspieler und bei seinen Einsätzen mit den Albatrossen verfolgt. Mir war bewusst, dass er seine geringe Körpergröße mit einem hohen Maß an physischer und mentaler Toughness ausgleichen kann. Der Linkshänder ist von seiner Einstellung her der Traum eines jeden Coaches. Ich hätte aber nicht erwartet, dass es so herausragend für ihn in Göttingen laufen würde. Er ist im Moment der wichtigste Spieler bei den Niedersachsen.

Herrera ist ein Basketballer, der bislang unter dem Radar, auch unter meinem persönlichen, geflogen war. Okay: chilenischer Nationalspieler, aber in seiner ersten Saison im Oberhaus war er eher unauffällig unterwegs. Der 21Jährige war als reiner Shooter abgestempelt. Aktuell zeigt er, wie viel mehr er auf dem Kasten hatten. Herrera attackiert den Korb auch mit seiner vermeintlich schwächeren linken Hand effektiv. Dazu kommt seine Steigerung in der Verteidigung, wo er sowohl im 1-1 als auch in der Teamdefense im Vergleich zur Vorsaison draufgepackt hat. Das alles spricht für harte Arbeit im Sommer. Seine Berufung zum Kapitän zeigt, welche Bedeutung er für Tuomas Iisalo schon hat. Hundt und Herrera sind talentierte Spieler, aber ihr Charakter und ihre Mentalität sind noch bemerkenswerter.

Wie schätzt Du Braunschweigs Mischung aus Veteranen und jungen deutschen Spielern nach den ersten Spielen ein?

Braunschweig gefällt mir sehr gut. So wie die Mannschaft bislang gespielt hat, verfügt sich über Playoff-Potenzial. Zur Mischung: Mit Scott Eatherton steht auf der Veteranenseite ein konstanter Performer, der starke Zahlen auflegt. Der Center ist der beste und wichtigste Spieler, aber aufgrund seines ruhigen Naturells fordert er keine große Aufmerksamkeit, was dem Team von Pete Strobl sehr guttut. Trevor Releford hat mich schon beim MBC beeindruckt. Der neue Point Guard spielt sehr abgeklärt und ist sich auch nicht zu schade, in der Verteidigung seinen Job zu verrichten. Seine Playmaking-Qualitäten entlasten ohne Frage Thomas Klepeisz, der für mich der dritte wichtige Veteran der Löwen ist. Der Österreicher ist ein gutes Vorbild für die jungen Deutschen, weil er sich über Arbeit stetig verbessert hat und ihnen auch als Ansprechpartner in der Muttersprache zur Verfügung stehen kann.

Kommen wir zu den jungen Spielern: Lars Lagerpusch ist das Eigengewächs. Er dürfte aber auch mittelfristig nicht über eine kleine Rolle hinauskommen. Lukas Wank und Garai Zeeb sind Konkurrenten auf der Guardposition. Bislang sind beide solide aufgetreten und haben zusammen mehr als 30 Minuten pro Partie auf dem Parkett gestanden. Das ist mehr als ich erwartet hätte.

Die Kronjuwelen heißen aber Kostja Mushidi und Karim Jallow. Mushidi füllt die Rolle des Scorers von der Bank exzellent aus und markiert 13 Zähler in 17 Minuten. Diese Aufgabe scheint ihm zu liegen. Obwohl er vom Talentlevel her ein Starter gewesen wäre, wurde er teilweise schon in den Jugendnationalmannschaften so eingesetzt. Dazu kommt, dass er für einen Guard exzellent reboundet und keine Angst vor großen Würfen hat, was der Gamewinner gegen Ulm unterstreicht. Er kann genauso wie Karim Jallow ein Leistungsträger werden. Im Prinzip sind es beide schon, es fehlt noch die Bestätigung über einen längeren Zeitraum. Jallow wirft 50% aus dem Feld und schafft es mit seiner Athletik immer wieder, an die Freiwurflinie zu gehen. Der 22Jährige ist vielseitig und kann in einer Smallball-Formation den Power Forward spielen.

Fazit: Die Braunschweiger Mischung gefällt mir ausgesprochen gut!

Ist Crailsheim wirklich richtig gut oder sorgt für den zweiten Tabellenplatz vor allem das leichte Auftaktprogramm mit Gießen, Bayreuth, Bonn und Göttingen?

Ich schließe mit dieser Frage, weil es die ist, die mir aktuell mit Abstand am häufigsten gestellt wird.

Sicherlich war das Crailsheimer Auftaktprogramm nicht sonderlich schwer, aber die Art und Weise wie die Mannschaft aufgetreten ist, hat mir imponiert. Das ist guter Teambasketball mit uneigennützigem Passspiel. Natürlich nimmt Crailsheim extrem viele Dreier, was die Frage aufwirft, was passieren wird, wenn die Quoten Richtung Süden tendieren. Aber die Mannschaft hat noch andere Anker. Derzeit sind die Merlins die Nummer 1 bei den Steals und die Nummer 2 bei den offensiven Rebounds. Der Paradigmenwechsel zeigt Wirkung. Diese hochfunktionale und hungrige Mannschaft ist für mich näher an den Playoffs als am Abstiegskampf.

Euer