Bryce Taylor – Ein Großer verlässt die BBL-Bühne
Rickey Paulding gehört zu Oldenburg, Quantez Robertson gehört zu Frankfurt, und Per Günther gehört zu Ulm. Alle haben in ihren mehr als ein Jahrzehnt dauernden Karrieren für nur einen einzigen Club im deutschen Oberhaus gespielt. Am 27. September, an seinem 35. Geburtstag, gab mit Bryce Taylor ein Spieler das Ende seiner Laufbahn bekannt, der nach seiner Rookie-Saison in Italien zwölf Jahre in Deutschland verbrachte. Dabei lief der Flügelspieler für sechs verschiedene Vereine auf. Wo muss man also seine Zugehörigkeit verorten? Ganz einfach: Bryce Taylor gehört zur BBL! Er spielte für alle Drei der „großen B’s“: Berlin, Bayern und Bamberg – und das mit Erfolg! Mit München wurde er 2014 Deutscher Meister, mit den Bambergern gewann er 2019 den Pokal. Bei seiner letzten Station in Hamburg fungierte er (wie zuvor auch schon in München) als Kapitän, eine Rolle, für die er zu diesem Zeitpunkt nicht nur aufgrund seiner Erfahrung prädestiniert war, sondern auch wegen seiner Persönlichkeit. Teamspirit war immer wichtig für ihn. Bescheiden, positiv und ein toller Mannschaftskamerad – so durfte ich Bryce während unserer gemeinsamen Saison 2012/2013 in Quakenbrück näher kennenlernen.
Vom Flieger zum Traumquotenwerfer
Als 22Jähriger unterschrieb er 2009 in Bonn zu einer Zeit, in der die BBL für die meisten Amerikaner gedanklich eine Zwischenstation war, um sich für die lukrativeren Ligen in Südeuropa zu empfehlen. Aber Bryce blieb, nicht etwa deshalb, weil es ihm an Qualität gefehlt hätte, um nach Spanien oder Griechenland zu wechseln, sondern weil er nicht ins Klischee passte, das die amerikanischen Spieler dieser Jahre gerne mit dem Begriff „Durchlauferhitzer“ umschrieb. Seine Motivation und Ziele waren anders gelagert. Bryce war zu Beginn seiner Karriere, als seine Kniee noch keine Probleme bereiteten, ein echter Flieger. Sein legendärer Dunk gegen Predrag Suput ist besonders in Erinnerung geblieben. Je älter er wurde, desto mehr verließ er sich auf sein lockeres Handgelenk. Bei Bayern München gelang ihm eine Saison mit 54,9 Prozent Feldwurfquote, 52,5 Prozent Dreierquote und 92,5 Prozent Freiwurfquote, nachdem er in der Spielzeit davor schon 57,0 Prozent, 49,1 Prozent und 95,8 Prozent aufgelegt hatte. Intelligent wie er ist, verstand es Bryce, sein Spiel anzupassen als ihm seine überragende Athletik aufgrund von Verletzungen und der Belastungen der vielen Jahre nicht mehr voll zur Verfügung stand.
Interesse an Land und Leuten
Im April 2018 erhielt Bryce Taylor seinen deutschen Pass. Natürlich spielte dabei auch der Gedanke eine Rolle, dass diese Staatsbürgerschaft seine Karriere verlängern könnte. Aber Bryce hat sich immer integriert, weil das für ihn Teil des Lebens in einem anderen Land war und er grundsätzlich anderen Kulturen gegenüber aufgeschlossen ist. So hat er Deutsch gelernt und konnte zuletzt problemlos Interviews geben.
Immer wenn ich Bryce in meiner Funktion als MagentaSport-Kommentator traf, hielten wir einen kleinen Plausch. „Wie geht es der Familie?“ Diese Frage stellen mir viele meiner ehemaligen Spieler, wenn ich sie treffe. Aber Bryce war und ist es immer besonders wichtig zu wissen, wie es uns geht. Er fragt nach und ist wirklich interessiert.
Professionalität und Klasse
2013 spielten wir mit den Artland Dragons das Pokal Top Four in Berlin. Aufgrund einer Nachverpflichtung hatten wir zu diesem Zeitpunkt sieben Ausländer unter Vertrag. Das bedeutete, dass ich im Semifinale einen dieser Spieler aussetzen lassen musste. Ich beging den Fehler und entschied mich für Bryce. Er akzeptierte das mit großer Professionalität und unternahm in zivil auf der Bank alles, um die Mannschaft ins Endspiel zu pushen. Letztendlich schieden wir aber im Halbfinale aus, und im Spiel um den dritten Platz nahm ich ihn wieder ins Team. Er machte sein Statement und erzielte 28 Punkte. Aber er nahm mir die Entscheidung nie übel, und sie hatte keinen negativen Einfluss auf unsere Beziehung. Auch diese Geschichte zeigt die Klasse und den Charakter des Bryce Taylor!
Euer