Erste Einschätzungen nach drei Spieltagen

Spanien ist das Maß aller Dinge im (europäischen) Basketball. In diesem Jahr gewannen die Iberer die Europameistertitel bei der U16 und der U18. Lediglich bei der U20 wurde es „nur“ der Vizetitel nach der Finalniederlage gegen Gastgeber Israel. Die spanischen Herren krönten den Sommer mit dem Gewinn der Weltmeisterschaft in China. Die Titel im Jugendbereich sind letztendlich nur ein Nebenprodukt, denn die Spanier bewerten in diesen Altersklassen die Spielerentwicklung höher als Titel.

Mit Aíto Garcia Reneses und Pedro Calles gewannen zuletzt zwei spanische Trainer die Auszeichnung „Coach of the Year“ in der BBL. Dafür waren natürlich die Erfolge Grundlage, aber es darf auch bemerkt werden, dass beide Basketballlehrer der Spielerentwicklung eine große Bedeutung zuweisen und einen Stil pflegen, der sich vom Mainstream absetzt. Aber 2019/2020 sind auch zwei spanische Spieler in der Liga aktiv. Die heißen zwar nicht Gasol, Rubio oder Hernangomez, aber der von Vechta ausgeliehene Sergi Garcia war immerhin U16- und U20-Europameister. Der Bamberger Neuzugang Aleix Font ist ebenfalls Guard und mit 21 noch ein Jahr jünger als Garcia. Auch er ist eine Leihgabe und gilt als großes Talent. Die Rechte von Garcia und Font liegen bei den Euroleagueteams Valencia und Barcelona. Von einem Trend zu sprechen, wäre zu früh, auch wenn ALBA schon 2017 mit dem Serben Stefan Peno ein Leihmodell mit dem FC Barcelona praktizierte. Zudem gibt es erst Nachahmer, wenn ein Projekt erfolgreich ist. Font hat noch keine Minute gespielt, während Garcia mit seiner Übersicht zu gefallen weiß, andererseits aber bislang auch katastrophale Wurfquoten aufweist.

Bester deutscher Nachwuchsspieler U22?

In der vergangenen Spielzeit ging diese Auszeichnung an den erst 17jährigen Franz Wagner, der als „Titelverteidiger“ aber ausfällt, weil er sich für einen Wechsel an die University of Michigan entschieden hat. Kommt sein Nachfolger auch aus Berlin, schafft es Jonas Mattiseck, Wagner zu beerben? Durch die Verletzungen auf den Guardpositionen hat der Linkshänder bislang viel spielen dürfen und dabei absolut überzeugt. Mit Bennet Hundt erhält ein Ex-Albatros jetzt in Göttingen seine erste große Bewährungschance. Bislang legt der 21Jährige 13 Punkte und den Ligabestwert von 9,7 Assists auf! Das ist deutlich mehr als man erwarten durfte. Kostja Mushidi etabliert sich in Braunschweig als Scorer von der Bank (13 Punkte in 16 Minuten Spielzeit) und reboundet dank seiner Athletik für einen Guard ganz ausgezeichnet. Louis Olinde (Bamberg) könnte endlich seinen lang erwarteten Durchbruch schaffen. Am Wochenende war er beim MBC der Matchwinner. Ariel Hukporti hatte ich auch auf dem Schirm, aber leider fällt das Ludwigsburger Centertalent derzeit verletzt aus. Philipp Herkenhoff, konnte sich bereits in den Playoffs der vergangenen Saison als echter Leistungsträger in Vechta etablieren und war deshalb vor Saisonbeginn mein Favorit für die Auszeichnung. Bislang konnte der 20Jährige aber noch nicht an diese Leistungen anknüpfen. Es verspricht ein spannendes Rennen um den Titel bester deutscher Nachwuchsspieler U22 zu werden!

Gewinner und Verlierer des Transfersommers

Die Bayern haben mit Greg Monroe an der Spitze weiter aufgerüstet. Das ist ein bärenstarkes Aufgebot, aber gibt es darin auch einen echten Floor General auf Euroleague-Niveau? Bonn hat mit Joshiko Saibou und Benjamin Lischka zwei deutsche Qualitätsspieler hinzubekommen. Das sieht erst einmal sehr gut aus, aber dafür gehen die Rheinländer genauso wie die Fraport Skyliners nur mit fünf Ausländern ins Rennen. Der letzte Auftritt der Bonner gegen Crailsheim war unterirdisch und gibt Anlass, die Qualität der neuen Ausländer zumindest zu hinterfragen.

Schaut man auf die verbesserte Tiefe heißt der Gewinner womöglich Oldenburg. Angesichts der Eurocup-Teilnahme mussten die Verantwortlichen an der Hunte personell zulegen. Mit dem Deutsch-Amerikaner Kevin McClain und Robin Amaize ist aus einer Achtmann- eine Zehnmannrotation geworden, was sich auch in der Liga auszahlen sollte.

In Weißenfels und vor allem in Crailsheim hat man offensichtlich gute Personalentscheidungen getroffen. Mit überschaubaren Budgets wurden an beiden Standorten hochfunktionale Teams zusammengestellt, die sich eher im Playoffrennen als im Abstiegskampf wiederfinden sollten. Auch Braunschweig sieht bislang sehr gut aus. Neben talentierten und hungrigen deutschen Spielern hat man mit Trevor Releford einen starken Pointguard verpflichten können.

Die JobStairs Giessen 46ers sind ein Verlierer der Personalrochaden. Mit Benjamin Lischka und Mahir Agva verloren die Hessen ihre nach John Bryant wichtigsten deutschen Spieler, ohne Ersatz dafür verpflichten zu können. Es scheint eher unwahrscheinlich, dass die Youngster Bjarne Kraushaar und Alen Pjanic schon in der Lage sein werden, diese Lücken komplett zu schließen. Die neuen Ausländer sind zwar athletisch, aber im europäischen Spielstil nur bedingt zu Hause. Auch RASTA Vechta musste erheblich bluten und verlor sein Startrio um T,J. Bray, Austin Hollins und Seth Hinrichs. Vor allem in der Offensive werden die Marley-Jünger diesen Verlust nicht so einfach verkraften können. Trotzdem sehe ich Vechta aber nicht als Abstiegskandidaten.

Euer