Wer in der Euroleague antritt, benötigt einen tiefen und qualitativ hochwertigen Kader. Das war auch den Verantwortlichen des Deutschen Meisters Bayern München bewusst, als sie im Sommer eine Mannschaft zusammenstellten, die der Doppelbelastung der europäischen Eliteklasse und der Bundesliga gerecht werden sollte. Zwölf Spieler dürfen pro Begegnung eingesetzt werden.14 Akteure stehen in München unter Vertrag, die man auf diesem Niveau einsetzen kann. Ein Kader, wie es ihn bei einer deutschen Mannschaft noch nie gab. Dennoch spüren die Bayern schon jetzt, wie anstrengend diese Saison mit mindestens 67 Pflichtspielen sein wird. Mit dem neuen Spielmacher T.J. Bray und dem NBA-erfahrenen Forward Josh Huestis haben zwei Schlüsselfiguren verletzungsbedingt noch kein einziges Spiel bestritten. Bei Bray wird es wohl bis Ende des Jahres dauern, bevor an erste Ansätze zu denken ist. Huestis Rückkehr ist ein Mysterium. Immer wieder gab es Meldungen, dass er kurz vor dem Comeback stünde. Bewahrheitet haben sie sich bislang nicht. Zuletzt musste dann auch noch der zuverlässige Nihad Djedovic mit einer Kniereizung passen.
In der Euroleague muss man auswärts gewinnen
Doch das große Ziel der Playoff-Teilnahme in der Euroleague können die Bayern nur mit voller Kapelle erreichen, und wenn sie es schaffen, auswärts zu gewinnen. Der Deutsche Meister holte seine vier Siege ausschließlich zu Hause (leistete sich aber auch schon zwei Heimniederlagen) und landete dabei den Prestigeerfolg gegen Real Madrid. Auf fremdem Terrain sind die Schützlinge von Dejan Radonjic aber noch sieglos. Genau hier dürfte sich die Spreu vom Weizen trennen. Die Mannschaften, die auch auswärts gewinnen können, werden in die Playoffs einziehen.
Die Münchner haben kräftig aufgerüstet, aber Gleiches gilt für fast alle Euroleague-Teams. Die Qualität ist so hoch wie noch nie zuvor. Da tut es besonders weh, dass mit Bray ausgerechnet der Starter auf der Königsposition länger ausfällt. Auf der anderen Seite hat Maodo Lo die Chance beim Schopf ergriffen. Der Nationalspieler zeigt sich in einer blendenden Verfassung und legt wieder jene Leichtfüßigkeit an den Tag, die ihm zwischenzeitlich einmal abhandengekommen zu sein schien. Ob er es allerdings bis zum Jahresende schafft, diese Rolle auszufüllen, ist fraglich, auch weil der als Bray-Ersatz verpflichtete DeMarcus Nelson bislang nur partiell überzeugen konnte. Dennoch verneinen die Bayern Spekulationen, dass sie auf dieser Position noch nach einer Verstärkung Ausschau halten.
Am Brett hingegen sind die Münchner stark aufgestellt. Greg Monroe findet sich immer besser im europäischen Basketball zurecht. Der in neun NBA-Spielzeiten gestählte Center entwickelt sich zu einer dominanten Figur und zeigt zudem als Passgeber ungeahnte Fähigkeiten. Aber der Kader der Bayern ist nicht komplett auf den kurzfristigen Erfolg getrimmt. Mit dem Franzosen Mathias Lessort (24 Jahre) und dem Italiener Diego Flaccadori (23 Jahre) haben zwei Ausländer ihren Platz eher über vielsprechende Perspektiven als über aktuelles Euroleague-Niveau gefunden. Umso wichtiger sind die Leistungen der drei deutschen Nationalspieler Maodo Lo, Paul Zipser und Danilo Barthel.
Maodo Lo
Maodo Lo spielt den besten Basketball seiner Karriere und ist momentan der wichtigste Mann der Bayern. Wie er seit Saisonbeginn den Ausfall von T.J. Bray in der Euroleague kompensiert, ist beeindruckend. Seine Dreierquote ist herausragend. Der 26Jährige kommt mit seiner Leichtfüßigkeit zum Korb und kann sich den Dreier aus dem Dribbling kreieren. Mir gefällt nicht nur extrem gut, wie er sich bei diesen Aktionen präsentiert, sondern auch danach. In einer Zeit, in der die Selbstdarstellung mit übertriebener Gestik und Mimik zum Standard gehört, in der ein echter oder vermeintlicher Swagger zur Schau gestellt werden muss, empfinde ich seine bescheidene Zurückhaltung als äußerst angenehm. Die Leistungen des Guards sind ein Thema in Europa. Dementsprechend dürfte die von den Bayern angestrebte Vertragsverlängerung nicht einfach werden.
Paul Zipser
Angesichts der Verletzungsproblematik in der jüngeren Vergangenheit kam es nicht überraschend, dass die WM für Paul Zipser nur suboptimal verlief. Aber der Richtungspfeil zeigt jetzt wieder gen Norden. Der 25Jährige ist kein Spezialist, sondern eher ein Schweizer Taschenmesser, bei dem langsam aber sicher alle Klingen wieder an Schärfe gewinnen. Zipser kann offensiv wie defensiv drei verschiedene Positionen spielen. Als großer Zweier kann im Low Post Schaden anrichten, als Small-Ball-Vierer Close-outs effektiv attackieren, so dass ihn Dejan Radonjic von seiner Stammposition Small Forward bedenkenlos nach unten oder oben schieben kann. In der BBL ist er bester Scorer und effektivster Spieler der Bayern, und auch international spielt er sich immer mehr in den Vordergrund.
Danilo Barthel
Glue Guy – dieser Begriff wurde in meiner Erinnerung im deutschen Basketball erstmals für den heutigen Bundestrainer Henrik Rödl verwendet. Er definiert einen Spieler, der eine Mannschaft zusammenhält, weil er nicht für das Spektakuläre verantwortlich zeichnet, sondern als „Klebstoff“ die Teile dadurch miteinander verbindet, indem er alle (vermeintlichen) Kleinigkeiten richtig macht. Genau dieser Typ ist in meinen Augen Danilo Barthel für die Bayern. Viele hätten ihn bei der WM gerne häufiger auf dem Parkett gesehen, aber die Konkurrenz auf den großen Positionen war enorm. Barthel kann im Prinzip jeden Power Forward aufposten. Er hat den Körperschwerpunkt immer da, wo er hingehört, verfügt über gute Fußarbeit, geduldige Täuschungen und die Fähigkeit am Ring mit beiden Händen abzuschließen. Barthel ist ein Souverän auf dem Feld, ohne dass er permanent Aktionen setzen muss. Der 28Jährige ist der gestandene Kapitän einer Meistermannschaft, der über die Klasse verfügt, jederzeit dem Spiel seinen Stempel aufzudrücken.
Lo, Zipser und Barthel tragen ganz entscheidend zur Qualität der Münchner bei. Das DBB-Trio steht in der Crunch-Time nicht in der zweiten Reihe, sondern übernimmt Verantwortung und wird dieser auch gerecht. Vor allem Maodo Lo brilliert in diesen Momenten mit seinen technischen Fertigkeiten und seiner Nervenstärke. Er hat das Zeug zu einem echten Clutch-Player.
Euer