Welche Typen Center gibt es in der BBL?
In den neunziger Jahren des vergangenen Jahrtausends wollte fast jeder 2,05 Meter große Spieler den Ball dribbeln und den Dreier werfen. Toni Kukocs Skill-Set war eine Art Blaupause für Basketballer, die aufgrund ihrer Länge eigentlich ans Brett gehört hätten, aber das Ziel hatten, wie ein Guard oder Small Forward spielen zu können. Anstelle eines Post-up-Repertoires ging es vor allem um die Entwicklung von Fähigkeiten mit Gesicht zum Korb. Die Line-ups wurden zeitweise deutlich größer, während wir diesbezüglich mittlerweile eine Tendenz in die entgegensetzte Richtung sehen. Spieler, die man in dieser Zeit zu Small Forwards gemacht hätte, agieren heutzutage auf der Centerposition. Aber die Tendenz, dass sich das Post-up-Spiel zu einer vom Aussterben bedrohten Kunst entwickelt, scheint unverrückbar. In unserem Podcast „Talkin‘ Basketball“ gestand das mit Danilo Barthel auch der beste deutsche Scorer mit Rücken zum Korb ein. Aber welche Center(-Typen) gibt es derzeit in der BBL? Ich möchte euch einen kleinen Überblick verschaffen.
Die klassische Version des Centers kommt mit Helm und Brotdose zur Arbeit. Sein Bett und seinen Fernseher hat dieser Typus Fünfer in der Zone aufgebaut. Er scort aus dem Post-up, als Abroller, nach Durchsteckern oder Offensiv-Rebounds. Christiano Felicio, Maik Kotsar, Tai Odiase, Martynas Sajus, Andreas Seiferth, Christ Koumadje, Gavin Schilling, Michael Kessens, Leon Kratzer, Jonas Wohlfarth-Bottermann, Matt Harms, Owen Klassen, Filip Stanic und Philipp Hartwich gehören in diese Kategorie.
Dann haben wir Spieler, denen nach traditionellen Maßstäben ein paar Zentimeter für diese Position fehlen. Extremstes Beispiel hierfür ist Tremmell Darden. Das 40jährige biologische Phänomen glänzt mit unfassbarem Spirit und spielt in den ganz kleinen Aufstellungen von John Patrick in Ludwigsburg mit 1,94 Meter auf der Fünf. Im Euroleague-Finale 2014 startete er für Real Madrid noch als Shooting Guard. So ändern sich die Zeiten! Aber auch Jamel McLean (FRAPORT SKYLINERS) und Augustine Rubit (FC Bayern München) fallen mit nur knapp über zwei Meter Körpergröße ebenfalls in die Schublade „undersized“. Beide lieben es, vom Short Corner aus mit Gesicht zum Korb zu attackieren. Der Heidelberger Brekkott Chapman agiert sogar von jenseits der 6,75-Meter-Linie aus dem Dribbling und bezeichnet sich selbst als einen Small Forward, der jetzt die Rolle eines Stretch-Fünfers übernimmt. Der Chemnitzer Darion Atkins ist mit 2,03 Meter gelistet und kann aufgrund seiner Beweglichkeit genauso wie sein Mannschaftskamerad und Positionskollege Jonas Richter exzellent auf kleinere Leute switchen. Eine Fähigkeit, die im modernen Basketball immer bedeutender wird.
Schließlich komme ich noch zu den „Point Centern“. König in dieser Kategorie wäre natürlich Luke Sikma, der teilweise für Berlin auf der Fünf agiert, aber im Prinzip eben doch ein Power Forward ist. Mit Goran Huskic und John Bryant hat der MBC gleich zwei passstarke Center im Kader, die ihr Spiel auch nach außen verlagern können. Gleiches gilt auch für die leider verletzte Bamberger Nachverpflichtung Akil Mitchell und „Boggy“ Radosavljevic, der in Crailsheim mittlerweile mehr Dreier als Zweier wirft. Auch der erst kürzlich von Ludwigsburg unter Vertrag genommene Ethan Happ bringt Voraussetzungen zum „Point Center“ mit.
Zum Abschluss blicke ich über den großen Teich: Bis 1983 gingen 23 von 28 MVP-Auszeichnungen an Center-Spieler. Der Erfolg war unmittelbar mit einem guten Big Man verbunden. Bill Russell, Wilt Chamberlain und Kareem Abdul-Jabbar dominierten die Liga in den 1960er und 1970er Jahren. Nach 1983 gingen nur noch vier Awards an einen Fünfer. Nikola Jokic war in der vergangenen Spielzeit der erste Center seit über 20 Jahren, dem die Ehre zu Teil wurde. Die Euroleague vergibt den MVP seit 2005. Mit Jan Vesely hat ihn nur ein einziger Big Man gewonnen. Keine Frage: Das Spiel hat sich verändert, und die Center sind am stärksten davon betroffen.
Bleibt gesund und zuversichtlich!
Euer
