Erfolg abseits des Mainstreams

Erfolg abseits des Mainstreams

Kontinuität – dieser Begriff hat im Sport fast schon den Status des Mystischen erlangt. Wer es schafft, möglichst viele Spieler einer erfolgreichen Saison zu halten, gilt für die neue Spielzeit als gut aufgestellt. Für die meisten Teams in der Basketball-Bundesliga ist dies aber ein fast unmöglich umzusetzender Anspruch, denn nach wie vor sehen viele ausländische Profis die deutsche Beletage nur als eine Durchgangsstation. Für diesen Umstand war lange Zeit der unschöne Begriff „Durchlauferhitzer“ im Gebrauch. So war es nicht verwunderlich, dass gerade in Zeiten der Pandemie und der damit verbundenen begrenzten finanziellen Möglichkeiten das Personalkarussell wieder mächtig in Schwung geriet. Blickt man auf die Tabelle, so findet man unter den ersten Sechs wie erwartet die beiden Euroleague-Teilnehmer München und Berlin sowie das Eurocupteam aus Ulm.

Daneben sind aber auch drei Mannschaften gut gestartet, die ein wenig als Wundertüten galten, weil sie vor der Saison einen großen personellen Umbruch einleiten wollten oder mussten. Hamburg, Ludwigsburg und Crailsheim haben aber noch etwas gemeinsam. Bei diesen Vereinen stehen Cheftrainer an der Seitenlinie, die keinen „Mainstream-Basketball“ von ihren Spielern einfordern, sondern ihren ganz eigenen Stil unterrichten und damit entscheidend zu Identität und Erfolg beitragen. NBA-Star Kevin Durant sagte kürzlich , dass alle Teams das Gleiche machten – nur mit unterschiedlicher Terminologie. Für die Coaches Pedro Calles (Hamburg), John Patrick (Ludwigsburg) und Tuomas Iisalo (Crailsheim) ist diese Aussage aber unzutreffend. Aufgrund des Corona-Abbruchs wurde in der vergangenen Saison die Auszeichnung „Trainer des Jahres“ nicht vergeben, aber vermutlich wäre der Titel an einen der drei Genannten gegangen. Jetzt bringt sich dieses Trio schon früh wieder in Position.

Es ist eine Regel des Geschäfts, dass Spieler, die Leistung gezeigt haben, häufig von besser betuchten Clubs abgeworben werden. Deshalb sind manche Teams zu größeren Umbrüchen gezwungen, als es ihnen lieb ist. So war es in Ludwigsburg und Crailsheim, wo jeweils nur zwei Leistungsträger gehalten werden konnten. Die Ludwigsburger beendeten die vergangene Saison als sensationeller Vizemeister, während Crailsheim das Überraschungsteam der Hauptrunde war. Tuomas Iisalo, der Trainer der Hohenloher, stand deshalb im Sommer auf dem Wunschzettel in- und ausländischer Clubs, blieb aber dann doch in Crailsheim. Der Finne erwartet von seinen Spielern vor allem schnelles Entscheidungsverhalten und bevorzugt einen temporeichen Offensivbasketball mit Extrapässen und Dreipunktewürfen, wobei er gegenüber seinen Akteuren eine hohe Fehlertoleranz an den Tag legt. Überspitzt formuliert: Eine schnelle Entscheidung ist ihm wichtiger als eine richtige.

John Patrick und Pedro Calles sind eher defensivorientierte Coaches. Der 52jährige Patrick zelebriert seinen Stil seit eineinhalb Jahrzehnten in deutschen Hallen. Der Amerikaner setzt auf mentale Härte und unbedingten Einsatzwillen. Seine Mannschaften sind häufig klein (in dieser Saison stehen nur zwei Akteure über zwei Meter im Kader) und äußerst aggressiv. Patrick möchte über Ballgewinne und Offensiv-Rebounds mehr Wurfgelegenheiten generieren als seine Kontrahenten. Geordnetes Teamplay spielt im Angriff eine eher untergeordnete Rolle. Ludwigsburg setzt stark auf das Spiel 1-1. Solange sie keine Ballverluste produzieren, gibt Patrick seinen Spielern diesbezüglich viele Freiheiten.

Die Hamburg Towers standen bei Abbruch der vergangenen Saison auf dem letzten Tabellenplatz. Im Sommer lotste Manager Marvin Willoughby dann den heißbegehrten Pedro Calles aus Vechta in die Hansestadt. Der Spanier entschied sich für die Runderneuerung des Kaders. Defensiv bevorzugt er einen ähnlichen Stil wie Patrick mit aggressiver Defensivarbeit über das ganze Feld und hohem Energieaufwand. „Mit der Verteidigung kann man das Spiel stärker beeinflussen“, ist er überzeugt. Für Calles sind Grundlagen und Prinzipien wichtiger als taktische Systeme und das Scouten des Kontrahenten. Im Training verbringt er viel Zeit damit, die individuellen Fähigkeiten seiner Spieler zu optimieren. Mit diesem Ansatz sind die Hamburger in ihrer zweiten Erstligasaison bislang noch ungeschlagen.

Eigentlich wäre zu vermuten, dass bereits bekannte und allgemeingültige Strukturen es neuformierten Mannschaften erleichtern, sich zu finden und Erfolg zu haben. Der erfolgreiche Saisonstart von Hamburg, Ludwigsburg und Crailsheim beweist aber, dass auch andere Wege schnell zu guten Resultaten führen können, wenn sie entsprechend stringent vermittelt werden.

Bleibt gesund!

Euer