Corona und die Euroleague

Corona und die Euroleague

Vor ziemlich genau drei Wochen, am 10. November, war ich in Ulm, um das Eurocup-Spiel der Mannschaft von Jaka Lakovic gegen Germani Brescia zu kommentieren. Nach der Partie sprach ich mit Per Günther, dem langjährigen Kapitän der Gastgeber, der sich nach dem Sieg seiner Mannschaft als ein Freund klarer Worte zeigte: „Ich war sehr überrascht, dass wir in der Lage waren, heute unserem Beruf nachzugehen“, sagte der 32Jährige. Hintergrund dieser Aussage war eine Meldung am Vortag dieser Begegnung. Es wurde bekannt, dass die Mannschaft von Olimpia Mailand, gegen die Brescia am Sonntag gespielt hatte, mehrere positive COVID-19-Fälle zu beklagen hatte. Günther gab zu, dass die Austragung der Partie trotz des Unterschiedes zwischen infiziert und infektiös und der aktuellen negativen Tests der Italiener ein großes Thema in der Mannschaft gewesen sei. Dieses Beispiel verdeutlicht das Bestreben, die europäischen Vereinswettbewerbe in den Zeiten der Pandemie unbedingt weiterlaufen zu lassen. Es gibt viele Beteiligte, die diese Maxime als einen Ritt auf der Rasierklinge wahrnehmen.

Im Eurocup, dem zweithöchsten Wettbewerb, an dem die Ulmer teilnehmen, soll nach Spielplan jedes Team 16 Begegnungen vor dem Playoff-Start absolvieren. In der Euroleague sind es sogar 34. In der Königsklasse gab es schon diverse Absagen, so dass die Zuversicht, die Saison in vollem Umfang zu spielen, nur noch begrenzt vorhanden ist. Die Unsicherheit ist spürbar und wird auch im unterschiedlichen Verhalten der Head Coaches nach den Spielen deutlich. Während es Trainer gibt, die den Bereich vor ihrer Bank nicht verlassen und dem Kollegen zum Abschied nur zuwinken, wählen andere, sofern sich ihr Gegenüber darauf einlässt, den direkten Kontakt. Auch hierbei gibt es graduelle Unterschiede zwischen „Fist Bump“ und Händeschütteln.

Ähnlich diffus stellt sich der Umgang der Liga mit der Pandemie dar. Zunächst sollten Spiele, bei denen Teams mit COVID-19-Infizierten nicht antreten konnten, mit 20:0 Korbpunkten für den Kontrahenten gewertet werden. Nachdem diese Strafe zu Saisonbeginn zwei Mal gegen Zenit St. Petersburg ausgesprochen worden war, ruderte die Euroleague zurück und versucht stattdessen, die ausgefallenen Partien nachzuholen. Das ist angesichts des vollgepackten Terminkalenders eine Herkulesaufgabe. Die Saisonplanung kommt bereits jetzt an ihre Grenzen. Gleiches gilt für die Belastbarkeit der Mannschaften. Sollte sich die Situation nicht verschlechtern, kann man gerade so über die Runden kommen. Ansonsten müsste ein Plan B her, der angeblich in den Schubladen der Euroleague liegt, den aber nicht einmal die Funktionäre der Clubs kennen. Das einzige Konzept, das sich bislang als tragfähig erwiesen hat, ist die Bubble, der Spielbetrieb mehrerer Mannschaften an einem Ort unter ständiger Testung. Gleichzeitig nationale und internationale Bubbles zu spielen, wäre aber utopisch.                                                                                                          

Wenn sich die Lage weiter zuspitzt, sollte deshalb auch der Vorschlag von Ettore Messina in Betracht gezogen werden. Der 61Jährige ist nicht nur Head Coach bei Olimpia Mailand, sondern wurde von Sponsor Giorgio Armani auch mit umfassenden Kompetenzen im Management ausgestattet. Messina hatte angeregt, die internationalen Ligen bis ins Frühjahr hinein ruhen zu lassen. Die vielen Reisen kreuz und quer durch Europa wertet der Italiener angesichts des Infektionsgeschehens als ein (zu) großes Risiko. In dieser Phase wären Charterflüge eine Möglichkeit, mehr Sicherheit zu gewährleisten. Doch Teams, die in der Vergangenheit stark auf diese Option gesetzt haben, fliegen ausgerechnet jetzt mehr Linie. Der Grund sind die Finanzen. Durch die fehlenden Zuschauereinnahmen sind Charterflüge für viele Vereine nicht mehr zu bezahlen. Bis März, so Messinas Gedankenspiel, könnten die Infektionszahlen zurückgegangen sein und die nationalen Ligen ihre Wettbewerbe so geballt vorangetrieben haben, dass in der Königsklasse wieder ein geordneter und fairerer Ablauf möglich wäre. Als Messina seine Idee Anfang November unterbreitete, signalisierte die Euroleague umgehend, dass sie am Spielplan festhalten will. Es stellt sich aber die Frage, wie lange dies noch möglich sein wird.

Euer