Eure Fragen: Zonenverteidigung, Pokalmodus, Transfers und Corona
Erstmals in dieser Saison beantworte ich eure Fragen. Vielen Dank für die Einsendungen, von denen ich aber wie üblich nur einen Teil in diesem Blog abhandeln kann.
Miami hat in der NBA gezeigt, dass eine Zonenverteidigung sehr effektiv sein kann, deshalb die Frage, ob wir in Europa und konkret in Deutschland künftig auch wieder mehr Zone sehen werden?
Nein, das glaube ich nicht. Es gab in der abgelaufenen NBA-Saison die eine oder andere Mannschaft, die durchaus erfolgreich mit Zonenverteidigung agiert hat, aber grundsätzlich gilt erst einmal, dass eine Ball-Raum-Verteidigung im modernen Basketball keine primäre Defense sein kann, sondern bestenfalls eine Wechselverteidigung, um den Rhythmus zu verändern. In der NBA kann das aus meiner Sicht ein wenig besser funktionieren, weil in der nordamerikanischen Profiliga gegen Mann-Mann-Verteidigung das Spiel 1-1 stärker als in Europa akzentuiert wird. Entsprechend muss gegen eine Zonenverteidigung eine größere Anpassung der grundsätzlichen Spielidee vorgenommen werden. Auf dem Alten Kontinent gibt es gegen die Mann-Mann-Verteidigung kollektivere Konzepte, deren Ansätze sich leichter in den Angriff gegen Zone übertragen lassen. Die Spieler in Europa können passen, werfen und finden die Schnittstellen der Ball-Raum-Verteidigung. Die Tatsache, dass die Dreipunktelinie in der NBA fast einen halben Meter weiter vom Korb entfernt ist, spielt aus meiner Sicht nur eine untergeordnete Rolle.
Was hältst Du von einer Rückkehr zum früheren Pokalmodus, bei dem auch Mannschaften unterhalb der ersten Liga mitspielen können?
Ich halte es weder für eine gute Idee, noch für organisatorisch möglich. Wie soll das darstellbar sein angesichts der Tatsache, dass unter normalen Umständen fast die Hälfte der Erstligisten auch international spielt? Wir dürfen uns nicht von der aktuellen Situation täuschen lassen, in der aufgrund der Pandemie nur vier Teams europäisch unterwegs sind. Allein die Terminfindung wäre extrem schwierig. Zudem müsste für Partien zwischen Teams unterschiedlicher Ligazugehörigkeit eine Pokalausländerregel gefunden werden. Zwar standen mit Bayreuth (1993), Landshut (1995) und Rhöndorf (2000) drei Zweitligateams im Halbfinale eines Top Fours, aber ganz ehrlich, die riesengroßen Pokalsensationen wie im Fußball, bei denen unterklassige Teams die Erstligisten aus dem Wettbewerb kegeln, gab es im Basketball in dieser Form nie. Ein Fußballspiel kann durch einen Sonntagsschuss entschieden werden und mit 1:0 enden. Aktuell erzielen Teams im Basketball mehr als einen Punkt pro Ballbesitz – da ist das Überraschungspotenzial äußerst überschaubar.
Natürlich: Dass Maodo Lo von München in seine Heimatstadt Berlin wechselt, war der Königstransfer des Sommers, aber bei welchen anderen Wechseln hast Du richtig aufgehorcht?
Da Berlin in der Frage auftaucht, bleibe ich bei den Albatrossen und beginne mit Jayson Granger. Es war ein Risiko, einen älteren Spieler mit dieser Verletzungshistorie der beiden letzten Jahre zu holen. Ein Achillessehnenriss ist schwerwiegend. Aber die Entscheidung war mutig und hat sich gelohnt. Granger bringt Erfahrung, Ruhe und Abgeklärtheit ins Berliner Spiel. Außerdem hat er eine sehr klare Vorstellung, wann er als Assist-Pointguard auftreten und wann er scoren muss. Kommen wir zu den Bayern, dem Ex-Club von Maodo Lo. Auch hier hatte ich der Besetzung der Spielmacherposition einen ähnlichen Gedanken wie in Berlin: Risiko. Aber auch die Münchner handelten mit der Verpflichtung von Wade Baldwin richtig. Ich war mir nicht sicher, ob er primär auf der 1 agieren könnte. Das kann er. Ich war mir nicht sicher, ob sein wackliger Dreier ein echtes Problem darstellen würde. Aber mit seiner Fähigkeit, jederzeit aus dem Dribbling den Halbdistanzwurf anbringen zu können, spielt das keine große Rolle. Bleiben wir bei den Bayern und kommen zum interessantesten Ausländerwechsel innerhalb der BBL: Nick Weiler-Babb. Hier habe ich nicht aufgehorcht, weil ich Risiken sah, sondern weil ich befürchtet hatte, dass dieser tolle Spieler die Liga schon nach einer Saison wieder verlassen könnte. Der Amerikaner ist ein großartiger Allrounder auf den Außenpositionen, der perfekte Typ für den modernen Basketball. Abschließend möchte ich noch Sebastian Herrera erwähnen. Ich will nicht behaupten, dass ich nach seiner Supersaison in Crailsheim erwartet hätte, dass er in Berlin oder München landet. Aber aus meiner Sicht wäre es zumindest möglich gewesen. Phasenweise wurde Interesse aus der Hauptstadt kolportiert, und die Bayern hätten nach den Abgängen von Lo und Danilo Barthel auf den deutschen Positionen nachlegen können. Oldenburg darf sich glücklich schätzen, diesen tollen Spieler verpflichtet zu haben.
Wie siehst du den europäischen Wettbewerb unter der aktuellen Situation bzw. teilst du die Meinung von Ettore Messina, dass aktuell die nationalen Ligen Vorrang haben sollten?
Die Saisonplanung kommt bereits jetzt – Mitte November – an ihre Grenzen. Gleiches gilt für die Belastbarkeit der Mannschaften. Wenn sich die Lage nicht verschlechtert, kann man gerade so über die Runden kommen. Ansonsten muss ein Plan B her, der angeblich in den Schubladen der Euroleague liegen soll, den ich aber nicht kenne. Aber das einzige Konzept, das sich bislang als tragfähig erwiesen hat, ist die Bubble. Gleichzeitig nationale und internationale Bubbles zu spielen, halte ich für komplett utopisch. Entsprechend ist es ein Muss, Messinas Vorschlag in Betracht zu ziehen, wenn sich die Lage weiter zuspitzt.
Euer