Ludwigsburg mischt mit bekanntem Konzept vorne mit
Nein, ein Meisterschaftskandidat sind die MHP Riesen Ludwigsburg nicht, auch wenn sie die beiden Euroleague-Teilnehmer Bayern München und Alba Berlin geschlagen haben. Die Niederlage am Wochenende in Gießen unterstreicht das. Aber angesichts dessen, was die Mannschaft bislang geleistet hat, besteht auch kein Grund, die Qualität des Tabellenzweiten zu unterschätzen.
Über John Patricks Stil ist schon viel geschrieben worden, dennoch kann ich nicht darauf verzichten, ihm ein paar Zeilen zu widmen – auch deshalb, weil es Leute gibt, die meinen, er habe ihn grundlegend verändert. Das sehe ich anders. Ähnlich wie in der Saison 2017/2018 mit Thomas Walkup ist wieder relativ viel Talent in der Mannschaft, was sich sofort niederschlägt. Das Team ist jünger als in der vergangenen Spielzeit, so dass JP seine Grundsätze mit hoher Intensität umsetzen lassen kann.
Der Stil
Dass sich die Spielweise nicht großartig von den Vorjahren unterscheidet, möchte ich allen Zweiflern mit Zahlen belegen – und die lügen ja bekanntlich deutlich seltener als Donald Trump. Ludwigsburg wirft fast schon traditionell schwache Quoten und trifft als einzige Mannschaft mit 48,5% weniger als die Hälfte seiner Würfe aus dem Zweipunktebereich. Auch die 42,6% Feldwürfe sind absoluter Ligakeller. Woher kommen also die Punkte? Volume Shooting! Der Tabellenzweite nimmt über 67 Würfe pro Partie, das ist Ligabestwert. Erreicht wird diese Zahl, weil die Barockstädter die meisten Offensiv-Rebounds (12,8) wegpflücken und sich als einzige Mannschaft weniger als zehn Ballverluste leisten. Dafür sind die Ludwigsburger aber auch klares Schlusslicht bei den Assists mit schwachen 14,8 Korbvorlagen pro Begegnung. Na klar, wer wenig passt, reduziert die Turnovers. Dieser Wert zeigt aber auch, dass die Offensive weiterhin stark auf 1-1 ausgerichtet ist. In der Defense sind nach wie vor Druck und Physis angesagt. Also, es hat sich nicht wirklich etwas geändert, was den Stil anbelangt.
Das Trio auf den Außenpositionen
Beim spielenden Personal gab es wie eigentlich vor jeder Saison große Veränderungen.
John Patrick findet immer wieder interessante Spieler wie den bereits erwähnten Thomas Walkup, der sich mit seinen kreativen Elementen mittlerweile bei Zalgiris Kaunas als Starter etablieren konnte. Royce O’Neale, der in der Spielzeit 2015/2016 das Ludwigsburger Trikot trug, verlängerte in der letzten Woche seinen Vertrag beim Utah Jazz für schlappe 36 Millionen Dollar um vier Jahre. Während die neuen ausländischen Akteure oftmals Wundertüten sind, kann man bei den deutschen Verpflichtungen immer ganz gut einschätzen, ob ein Spieler passen wird. So ist es nicht verwunderlich, dass Jonas Wohlfarth-Bottermann funktioniert, während Bogdan Radosavjlevic in der Vorsaison schon früh seine Koffer packen musste.
Das Prunkstück der aktuellen Mannschaft ist das Trio auf den Außenpositionen mit Khadeen Carrington, Rückkehrer Marcos Knight, dessen Dreimonatsvertrag bis zum Saisonende verlängert wurde, und Nick Weiler-Babb. Carrington und Knight geben dem Team einen herausragenden Scoring-Punch auf den Guard-Positionen mit über 33 Punkten pro Partie. John Patrick soll einmal gesagt haben, dass der Dreipunktewurf überschätzt sei, aber ich denke, dass er nichts dagegen hat, dass Carrington 43,4% seiner Versuche von Downtown einnetzt und in der Lage ist, Big Plays von jenseits 6,75 Meter zu machen. Knight ist ein unfassbar tougher 1-1-Spieler mit Dreier, Drive, Post-Up und Medium-Range-Game. Dazu reboundet er mit seinen nur 1,88 Meter wie ein Büffel. Weiler-Babb ist ein klassischer Allrounder, ein Schweizer Taschenmesser auf den Außenpositionen. Bereits am zweiten Spieltag legte der Rookie mit 10 Punkten, 11 Rebounds und 12 Assists gegen die Telekom Baskets Bonn ein Triple Double auf.
Das Duo aus dem Unterhaus
Neben dem G-League-Neuzugang Thomas Wimbush und der Nachverpflichtung Cameron Jackson komplettieren Jaleen Smith und Tanner Leissner das Ausländerkontingent in Ludwigsburg, zwei Spieler die in der Vorsaison noch in der Pro A aktiv waren und die belegen, dass es auf die Mischung ankommt. Smith steht immerhin mehr als 27 Minuten auf dem Parkett, auch wenn sein Dreier mit nur 32,1% deutlich schlechter fällt, als in der Vorsaison in Heidelberg. Das zeigt, dass JP ihn fast auf Augenhöhe mit seinen Big Three sieht. Leissner ist ein Spieler nach dem Geschmack des Coaches. Als Power Forward kann er mit seinem Dreier das Feld für die 1-1-Spieler weit machen, vor allem aber ist er ein Kämpfer, der keinen Kontakt scheut und dahin geht, wo es weh tut.
Potenzieller Halbfinalist
Die Niederlage in Gießen unterstreicht, wo es noch hakt. Die Mannschaft macht zu Hause bislang einen extrem stabilen Eindruck, muss aber bei den Auftritten in fremden Hallen mehr Konstanz zeigen. Neben den erklärten Titelfavoriten aus München und Berlin sind die Ludwigsburger zusammen mit den EWE Baskets Oldenburg ein heißer Anwärter auf das Halbfinale. Es ist davon auszugehen, dass die MHP Riesen im Viertelfinale über das Heimrecht verfügen werden. Angesichts der Tatsache, dass sie zu Hause noch ungeschlagen sind, wird dies ein nicht zu unterschätzender Faktor sein.
Euer