Martin Schillers Erfolge in der G-League
Dirk Nowitzki, Dennis Schröder, Maxi Kleber und Daniel Theis – sie sind die etablierten deutschen Spieler in der NBA, gehören zu einer selbst im Profisport außergewöhnlichen Glamourszene und genießen große mediale Aufmerksamkeit. Die Youngster Moritz Wagner (21), Isaiah Hartenstein (20) und Isaac Bonga (19) stehen auf dem Sprung dorthin. Sie haben schon Spiele in der besten Basketballliga der Welt bestritten, kommen aber in unterschiedlichem Umfang auch in der G-League zum Einsatz, der Entwicklungsliga der NBA. Dort stellt jeder Club ein Farmteam, in dem sich junge Spieler entwickeln und Rekonvaleszenten wieder in Form bringen sollen. Gibt es im NBA-Kader für einen dieser Spieler Bedarf, wechselt er nach oben. Entsprechend ist die Fluktuation extrem hoch. Die G-League ist zweifellos ein ganz besonderes Konstrukt und aufgrund ihrer Mechanismen kein einfaches Unterfangen für die Coaches.
Mein ehemaliger Assistent und Freund Martin Schiller kann das nur unterstreichen. Der Anglo-Österreicher wuchs in Hamburg auf und fungiert in seiner zweiten Saison als Head Coach der Salt Lake City Stars, die in der G-League als Farmteam des Utah Jazz an den Start gehen. „Es gibt klare Vorgaben von oben, was die Einsatzzeit der Akteure betrifft, aber auch bezüglich ihrer Rollen. Es gibt Spieler, die zum Beispiel fünf Mal pro Partie den Ball in einer bestimmten Position erhalten müssen“, erklärt der 37Jährige.
Martin hatte sich 2017 gegen neun Mitbewerber im Rennen um die Head-Coach-Position durchgesetzt. Utahs Cheftrainer Quin Snyder hält große Stücke auf ihn und baut ihn immer wieder auch in die Abläufe des NBA-Teams ein. Entsprechend könnte es möglich sein, dass er zur nächsten Saison ins Trainerteam des Jazz wechselt. In seiner zweiten Saison mit den Stars hat er einen neuen Siegesrekord aufgestellt und die erste Playoffteilnahme in der Geschichte des Farmteams realisiert. Das ist fast schon sensationell, weil der Talentlevel der Mannschaft von Experten als absolut überschaubar eingestuft wird.
Ein weiteres Jahr in der G-League kann sich Martin noch vorstellen. Sollte der große Traum von der NBA danach nicht in Erfüllung gehen, würde er mit seiner Frau und seinen beiden kleinen Töchtern nach Europa zurückkehren: „Wenn man diesen Job zu lange macht, beginnt man Dinge zu akzeptieren, die man als Coach eigentlich nicht akzeptieren möchte.“ Damit spielt Martin auf die fehlende Kontinuität beim spielenden Personal an, die ein planbares Arbeiten fast unmöglich macht, aber auch auf die minimalen Trainingsumfänge. Die Saisonvorbereitung dauert nicht länger als eine Woche, und während der Spielzeit halten sich Training und Wettkampf die Waage. Während der Trainer in der G-League schlecht bezahlt wird, ist er disziplinarischer Vorgesetzter für Akteure, die bis zu zwei Millionen Dollar pro Saison verdienen. Neben der Sprungbrettfunktion für die NBA mag Coach Schiller an der G-League vor allem den Grundgedanken: „Es geht immer um die Entwicklung von Potenzial. Siege sind nicht das primäre Ziel, sondern dann letztendlich ein willkommenes Nebenprodukt.“
Im Gegensatz zu anderen Teams legen die Stars viel Wert auf die Defensive. Insgesamt wird aber deutlich weniger verteidigt als in er NBA, da einfach auch die Zeit fehlt, defensive Strukturen zu etablieren. Die Spieler versuchen, über ihre offensiven Statistiken in die NBA zu kommen. Das Niveau sieht Martin niedriger als in den Topligen Europas, betont aber auch: „Es gibt Spieler, die wären in Deutschland in der Pro B und andere, die NBA-Fähigkeiten haben. Entsprechend ist der Talentlevel zum Teil unfassbar hoch.“
Ähnlich wie Martin an der Seitenlinie hinterlässt Isaiah Hartenstein auf dem Feld einen herausragenden Eindruck in der G-League. Der Sohn meines ehemaligen Spielers Florian Hartenstein ist der beste Rebounder und einer der absoluten Topspieler der Liga. Der Linkshänder bestreitet ungefähr genauso viele Spiele für die Houston Rockets um MVP James Harden wie für das Farmteam Rio Grande Valley Vipers. Rookie Isaac Bonga wurde im November erst 19 Jahre alt und spielte in der Hauptrunde fast ausschließlich für die South Bay Lakers in der G-League, wo er solide Vorstellungen abliefert. Seine mittelfristige Position ist noch offen. Während er vor seinem Wechsel in die Staaten bei den Fraport Skyliners überwiegend als Spielmacher eingesetzt wurde, ist er derzeit häufig als Small Forward unterwegs. Moritz Wagner wurde ebenso wie Bonga im Sommer von den Los Angeles Lakers gedraftet, nachdem er zuvor an der University of Michigan gespielt hatte. Als Erstrundenpick ist der Berliner ganz überwiegend beim NBA-Team, wo er bislang aber noch keine feste Rolle einnehmen kann. Allerdings konnte er mit 22 Punkten Anfang März gegen Boston sein großes Potenzial unterstreichen.
Lehrjahre sind keine Herrenjahre, Hartenstein, Bonga und Wagner müssen sich auch weiterhin über die G-League empfehlen, die in den letzten Jahren aufgewertet wurde, aber immer noch über deutlich weniger Strahlkraft – und auch Qualität – als der große Bruder NBA verfügt. So sieht es wohl auch Bundestrainer Henrik Rödl, der den drei Nachwuchshoffnungen im Gegensatz zu Schröder, Theis und Kleber keinen Kaderplatz für die WM garantiert.
Euer