Mit Playoff-Feeling und erhöhtem Überraschungspotenzial

Mit Playoff-Feeling und erhöhtem Überraschungspotenzial

Viele hatten geglaubt, dass die BBL-Saison 2019/2020 mit dem durch Corona bedingten Abbruch auch beendet sein würde. Am Wochenende geht es aber tatsächlich weiter – nicht mit allen Teams, aber immerhin mit zehn Teilnehmern, die in München unter strengsten Hygieneauflagen die Spielzeit beenden und einen Deutschen Meister küren werden. Wie es zu diesem Turnier gekommen ist, welche Hürden zu überspringen waren – das alles wurde bereits zu genüge thematisiert. Also befasse ich mich ausschließlich mit sportlichen Aspekten des Finalturniers.

Der Modus

Am 8. Januar 2019 veröffentlichte ich einen Blog zum neuen Pokalmodus, an dessen Ende ich der Modifizierung des Wettbewerbs eine glatte Eins mit Sternchen verlieh. Bezüglich der Gestaltung des Münchner Turniers ist meine Einschätzung ganz ähnlich. Eine den K.o.-Spielen (ich finde es unangemessen von Playoffs zu schreiben) vorgelagerte Gruppenphase ist exakt das, was die Mannschaften nach der langen Pause benötigen, um wieder einen Spielrhythmus zu finden. Dass die beiden Spiele einer Gruppe immer am gleichen Tag stattfinden, ist für eine Wettbewerbsgleichheit bezüglich der Regenerationsphasen unabdingbar. Dennoch haben natürlich die zwei Teams, die am ersten Spieltag aussetzen, einen Nachteil, weil sie nicht in den Genuss einer echten Pause kommen. Das betrifft Oldenburg und Bamberg. Crailsheim und Frankfurt, die in der fünften und letzten Runde aussetzen, könn(t)en zumindest vor dem Viertelfinale durchschnaufen.

Die Regelung keine Best-of-three-Serien zu spielen, halte ich für absolut sinnvoll. Möglich wäre das nur gewesen, wenn man den Zeitraum für das Turnier erweitert hätte. Angesichts der Rahmenbedingungen wäre das aus unterschiedlichen Gründen so gut wie nicht umsetzbar. Mit dem Hin- und Rückspielgedanken etabliert man aber immerhin den Charakter der Playoffs, der für unsere Sportart wie für keine andere immens wichtig ist. Ein Zehnerturnier, an dessen Ende einer jeder-gegen-jeden-Runde der Sieger zum Meister erklärt wird, fänden wir doch alle langweilig! So aber gibt es Playoff-Feeling mit erhöhtem Überraschungspotenzial, denn München oder Berlin sind in zwei Spielen eher zu knacken als in einer Best-of-five-Serie.

Die Fitness

Ich kenne die Probleme aus meiner Zeit als Head Coach in der BBL. Die Saisonvorbereitung beginnt, die Spieler absolvieren ihre Eingangstests, und in den ersten Einheiten wird deutlich, in welch unterschiedlichen körperlichen Verfassungen sie aus der Pause gekommen sind. Da gibt es den Fitness-Freak, der den ganzen Sommer – im Zweifelsfall sogar mit einem Privattrainer – an allen physischen und technischen Aspekten des Spiels gearbeitet hat. Aber nicht alle Basketballer denken so. Andere Akteure machen deutlich weniger und sehen die Preseason bei ihrem Verein als einzige und ausreichende Vorbereitung an. Solche Herren bekommen dann im Bereich der Grundlagenausdauer hier und da einmal eine Extra-Einheit in den Trainingsplan geschrieben. Dieses Problem stellt sich vor dem Münchner Turnier ebenfalls, aber es ist schwieriger zu lösen. Die Vorbereitungszeit auf das erste ergebnisrelevante Spiel ist jetzt viel kürzer als vor Saisonbeginn und damit auch die Möglichkeit, die in schlechterer Verfassung angetretenen Spieler auf ein entsprechendes Niveau zu hieven. Gravierende Rückstände führen aber nicht nur zu einer schlechteren Perfomance, sondern erhöhen gerade bei den eng getakteten Belastungen auch das Verletzungsrisiko.

Die BBL hat es geschafft, mit ihrem detailliert durchdachten Hygienekonzept die politisch Verantwortlichen zu überzeugen. Das ist ein Teil der im Vorfeld zu honorierenden Leistungen. Darüber hinaus hat sich die Liga in ihrer Außendarstellung als Einheit präsentiert. Zehn Mannschaften werden weiterspielen, sieben haben darauf verzichtet. Aber Befürworter und Gegner einer Saisonfortsetzung haben sich zu keinem Zeitpunkt zerfleischt, sondern haben in einer schwierigen Lage einen respektvollen Umgang mit den Meinungen der anderen Seite gefunden. Es ist bekannt, dass die Clubs zum Teil auch in wichtigen Fragen Differenzen miteinander haben. Als Beispiel sei nur die Größe der Liga genannt. Umso schöner ist es, dass man es in dieser Krise verstanden hat, einen für alle akzeptablen Weg zu gehen. Einziger Wermutstropfen: Die Spieler, die zentralen Figuren in diesem Konstrukt, fühlten sich (zurecht) zu wenig einbezogen.

Zu guter Letzt und aus leider einmal wieder gegebenem Anlass: Erhebt euch und eure Stimmen gegen Rassismus, Diskriminierung und Gewalt in Deutschland, in den USA und überall auf diesem Planeten!

Euer

 

Foto von Andrea Piacquadio von Pexels