Die Talentschmieden in Berlin und Frankfurt

Die Talentschmieden in Berlin und Frankfurt

Wenn eine Bundesligapartie in Frankfurt auf dem Programm steht, kann man vor der Begegnung in den Gesichtern der Gästespieler und -trainer eine gewisse Genervtheit ablesen. Eigentlich möchte die Auswärtsmannschaft gerne das Parkett betreten, um mit einem lockeren Einwerfen zu beginnen, aber auf dem Spielfeld tummeln sich noch Kinder und Jugendliche, die den zum festen Programm der SKYLINERS-Heimspiele gehörenden School Cup ausspielen. Als die Hessen am Freitag bei ALBA Berlin antraten, wurden sie selbst nicht mit solchen Problemen konfrontiert, wenngleich der Hauptstadtclub im Moment absoluter Vorreiter im Bereich der Nachwuchsförderung ist und dabei der Zusammenarbeit mit den Schulen eine ganz wichtige Rolle zuweist. Das direkte Duell zwischen Berlin und Frankfurt, das der Vizemeister aus der Hauptstadt für sich entschied, ist Grund genug, die zwei Standorte, die von fast allen Experten zuerst genannt werden, wenn es um das Thema Nachwuchsspielerentwicklung in der BBL geht, näher zu beleuchten.

Größtes Schulturnier Europas

Die erwähnte Kooperation mit den Schulen bildet in Frankfurt und Berlin die Grundfläche einer Pyramide, an deren Spitze die Bundesligamannschaft steht. Die SKYLINERS betreuen über 3000 Kids in 140 wöchentlichen Schul-AGs. ALBA sucht schon in den Grundschulen gezielt nach Talenten, die durch ihre Körperlänge und/oder koordinativen Fähigkeiten über Potenzial verfügen. Am Finale der Berliner Grundschulliga nahmen über 2000 Kinder teil. Mit 178 Mannschaften aus 90 Schulen war es Europas größtes Schulturnier. Um den Kindern Erfolgserlebnisse zu verschaffen, spielen sie auf niedrigere Körbe, eine in anderen europäischen Ländern übliche Praxis, die in Deutschland aber noch ein Stiefmutterdasein führt. Vor diesem Hintergrund sind die drei Deutschen Meisterschaften (U 14, U 16 und U 19) im Jugendbasketball nur die offensichtliche Spitze einer Entwicklung, die der ehemalige Europameister Henning Harnisch federführend begleitet.

Schneider, Hundt, Mattiseck und Wagner

Mit Tim Schneider, Bennet Hundt, Jonas Mattiseck und Franz Wagner haben in dieser Saison bereits vier Berliner Jungs im Alter zwischen 17 und 21 Jahren sowohl in der Liga als auch im Eurocup Spielzeit erhalten und teilweise eindrucksvoll genutzt. Der 21jährige Schneider debütierte am Freitag gegen Griechenland in der A-Nationalmannschaft, sein in der letzten Saison kometenhafter Aufstieg hat sich in dieser Spielzeit aufgrund seiner Verletzung allerdings verlangsamt. Dennoch hat er als 2,08 Meter-Mann mit starkem Distanzwurf beste Chancen, zumindest ein Rollenspieler auf höchstem europäischem Niveau zu werden. Genau diese körperlichen Voraussetzungen fehlen dem ein Jahr jüngeren Bennet Hundt, der mit 178 cm gelistet wird. Da er aufgrund seines Mittelfußbruchs Anfang des Jahres ebenfalls lange verletzt war, rückten Jonas Mattiseck und Franz Wagner stark in den Vordergrund. Die Beiden waren die entscheidenden Figuren beim NBBL-Titelgewinn der Berliner, Mattiseck als Season- und Wagner als Final-Four-MVP. Pointguard Mattiseck (18 Jahre) ist ein unangenehmer Verteidiger und personifiziert den neudeutschen Begriff „Swagger“ formvollendet. Wagner ist Ende August erst 17 geworden, wirft den Ball exzellent und bewegt sich für einen über 2 Meter großen Schlaks in diesem Alter hervorragend. Sein Bruder Moritz spielt als Rookie für die Los Angeles Lakers in der NBA. Nicht nur in Berlin fragt man sich, ob auch Franz den Weg über das College (in die beste Profiliga der Welt?) wählen wird. Da mit Aíto der wohl beste Talentförderer in Europa bei den Albatrossen das Zepter schwingt, besteht aber eine realistische Chance, das Ausnahmetalent zu halten.

Freudenberg auf den Spuren von Barthel, Voigtmann und Bonga?

Richard Freudenberg, das derzeitige Vorzeigeprojekt der Frankfurter, blickt auf schlechte Erfahrungen im US-College-Basketball zurück. Bei St. John’s bekam der mittlerweile 20Jährige nie eine echte Chance und brauchte 2017/2018 fast eine komplette Spielzeit, um das verlorene Jahr aufzuarbeiten. Bei seiner Rückkehr nach Deutschland entschied er sich für Frankfurt, wo Danilo Barthel und Joe Voigtmann so gut ausgebildet wurden, dass sie mittlerweile als Leistungsträger auf Euroleague-Niveau fungieren, und Isaac Bonga als 18Jähriger von den Lakers gedraftet wurde, für die er mittlerweile auch seinen ersten Punkt erzielen konnte. Im Moment ist Richies primäre Position noch nicht geklärt. Für einen Small Forward müssten Ballhandling und Beweglichkeit verbessert werden, für einen Power Forward die…. Power! Mit dem nach seinen drei Gehirnerschütterungen komplett auf Eis gelegten Niklas Kiel und Nachverpflichtung Leon Kratzer (beide 21) umfasst der aktuelle Bundesligakader der SKYLINERS zwei weitere junge Deutsche, auf die es zu achten gilt. Wer in Frankfurt arbeiten will, dem wird geholfen. Co-Trainer Klaus Perwas leistet in diesem Bereich seit Jahr und Tag großartige Arbeit so wie sein Berliner Pendant Carlos Frade, der zudem noch über den Vorteil verfügt, sich komplett auf das Individualtraining konzentrieren zu können.

Die Zahl der großen Talente wächst auch aufgrund der guten Plattform, die JBBL und NBBL bieten. Deutschland hat zuletzt zwei Mal in Folge das Albert-Schweitzer-Turnier gewonnen, was vor wenigen Jahren noch völlig undenkbar gewesen wäre. Im Sommer gewann die U-20 mit Freudenberg als Kapitän und ohne die absoluten Topspieler Isaac Bonga und Isaiah Hartenstein die EM-Bronzemedaille. Wir brauchen mehr Programme wie Berlin und Frankfurt, in denen talentierte Youngster den nächsten Karriereschritt gehen können!

Euer

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