Kriterien für den MVP

Kriterien für den MVP

So viel vorweg: Ich kann euch keine Antwort liefern, möchte mich diesem komplexen Thema aber von unterschiedlichen Seiten nähern. Ich beginne mit einer These, die ich schon immer vertreten habe: Journalisten sollten nicht wählen (dürfen)! Aus meiner Sicht sollte dies ausschließlich den Coaches vorbehalten sein. Als Kommentator oder schreibender Berichterstatter bewerte ich das Spiel anders als ein Trainer. Natürlich versuche ich auch zu analysieren. Aber es geht um Beobachtungen und Einschätzungen, die dem Zuschauer und Leser weiterhelfen sollen. Allein schon deshalb verfüge ich nicht über den richtigen Blickwinkel, um an der Abstimmung teilzunehmen, auch wenn ich häufig höre, dass ich als ehemaliger Coach dies unbedingt tun sollte. Anstelle von Journalisten sollten die Assistenz-Trainer ein Stimmrecht erhalten. Diese Experten sehen die meisten Spiele von allen. Sie verfügen über hohes Fachwissen und beobachten unter den für eine Bewertung relevanten Aspekten.

Sollten nur die Leistungen in der BBL zählen?

Der MVP ist eine amerikanische Erfindung, wobei die Pflege des Starkults eines der Ziele ist. Muss der MVP ein Charakter sein oder Charakter haben? Die NBA-Akteure spielen nur in dieser einen Liga. Bei uns gibt es aber noch weitere Wettbewerbe, mit dem Pokal einen zweiten nationalen (mit einer zugegebenermaßen sehr geringen Anzahl von Spielen), aber vor allem auch noch vier internationale, deren unterschiedliche Qualität die Bewertung zusätzlich erschwert. Aber sollten diese Wettbewerbe grundsätzlich überhaupt einbezogen werden? Schließlich küren wir doch den MVP unserer nationalen Liga! Stimmt, trotzdem möchte ich diesbezüglich ein paar Gedanken in die Diskussion werfen.

Wir bestimmen dem Namen des Awards nach nicht den besten, sondern den wertvollsten Spieler der BBL. Kann dies nicht auch einer sein, der immer dann, wenn er gefordert ist, verlässlich abliefert, aber sonst aufgrund der Doppelbelastung in der BBL häufig mit anderen Schwerpunkten agiert? Der Begriff Doppelbelastung trifft im kompletten Wortsinn für die Euroleague-Spieler zu, die im besten europäischen Wettbewerb exakt die gleiche Zahl an Hauptrundenpartien bestreiten wie in der BBL. Da ist es unmöglich, immer an die Grenzen zu gehen. Zudem ist es auch von den Coaches nicht gewünscht. So lassen sie ihre Leistungsträger bei Gelegenheit pausieren oder reduzieren deren Minuten.

Statistiken als Maßstab?

Welchen Einfluss sollten Statistiken haben? Martynas Sajus von medi bayreuth verfügt über den zweitbesten Effektivitätswert, aber ein MVP-Kandidat ist der Litauer bei allem Respekt nicht. Grundsätzlich bevorteilt der Effektivitätswert die langen Spieler ein wenig, umso bemerkenswerter, dass Parker Jackson-Cartwright als kleiner Guard hier ganz vorne steht. Außerdem profitieren Spieler von Mannschaften, die schnell spielen und darüber viele Ballbesitze generieren. Natürlich könnte man diese Problematik wieder über Advanced Stats auflösen. Aber mir nimmt die Tendenz, das Spiel und die Qualität der Spieler primär über Zahlen zu erklären, überhand.

Es gibt noch viele weitere Fragen: Sollte es eine Mindestanzahl an Spielen geben, die ein MVP absolviert haben muss? Sollten gerade in unserem Sport Offense und Defense zu gleichen Teilen einfließen? Inwieweit spielt der Erfolg des Teams eine Rolle? Darf ein Spieler MVP werden, dessen Mannschaft nicht die Playoffs erreicht? Ist der Spieler der MVP, an dessen Tropf ein ganzes Team hängt, der so gut wie nicht zu ersetzen ist? Muss es ein Spieler sein, der auch soziale Kompetenzen mitbringt und zum Beispiel für Motivation bei seinen Mannschaftskameraden sorgen kann? Muss der MVP die Rolle des Stars innehaben?

Die Kriterien, die man anlegen kann (nicht muss), habe ich aufgeführt. Die Ordnung nach Relevanz liegt im Auge des Betrachters. Auch wenn ich selbst erneut nicht wählen werde, bin ich gespannt auf das Ergebnis.

Euer