Sebastian Gleim – Ein Coach mit Sonderstatus

Spieler dunkt auf Freiplatz unter strahlend blauem Himmel

Sebastian Gleim – Ein Coach mit Sonderstatus

Wer sich als deutscher Basketballtrainer in der Bundesliga etablieren möchte, der muss sich auf einen steinigen und möglicherweise sogar unpassierbaren Weg begeben, um sein Ziel zu erreichen. Aktuell verfügen nur drei der 18 Übungsleiter in diesem Sport über die deutsche Staatsbürgerschaft, wobei John Patrick (Ludwigsburg) und Mladen Drijenicic (Oldenburg) ihren Pass erst im Laufe ihrer Tätigkeit in Deutschland erhielten. So bleibt nach der Entlassung von Denis Wucherer im Dezember in Würzburg mit Sebastian Gleim nur ein Coach, der seine Basketballausbildung hierzulande genossen hat. Wucherer passt perfekt in die Schublade des erfolgreichen Ex-Spielers, der seinem Sport dann auch als Trainer verbunden bleibt. Aber wo muss man Gleim verorten?

Aus der Basketballdiaspora in die BBL

Der mit 37 Jahren jüngste Cheftrainer der Liga ist seinen ganz eigenen Weg gegangen, hat seine Ziele nie aus den Augen verloren und seit seinem Wechsel vor dieser Saison von Frankfurt nach Crailsheim seinen Marktwert deutlich gesteigert. Den ersten Kontakt mit dem orangenen Ball bekam er im nordosthessischen Bad Hersfeld, das man getrost als Basketballdiaspora bezeichnen darf. Nach dem Trainerstart in seiner Geburtsstadt arbeitete er zwischen 2005 und 2014 in Bremerhaven und Wedel als Jugendtrainer, Co-Trainer der ersten Herrenmannschaft, Jugendkoordinator und 2013/2014 als Head Coach in der ProB. Danach folgte der Wechsel nach Frankfurt, wo er zunächst in vergleichbaren Funktionen aktiv war. 2019 wurde er nach dem Abgang des aktuellen Bundestrainers Gordon Herbert als neuer Head Coach des Bundesligateams vorgestellt.

In seinen zwei Jahren in als Cheftrainer der FRAPORT SKYLINERS wirkte Gleim wie ein Mensch, der unter Dauerdruck steht. Obwohl er unter teilweise schwierigen Bedingungen respektable Ergebnisse lieferte, konnte er sich nie wirklich freischwimmen. Als ihm der Club anbot, zukünftig nicht mehr als Coach, sondern als Sportdirektor tätig zu sein, lehnte der Familienvater ab. Sebastian Gleim wollte immer Trainer sein, und das hatte sich nicht geändert.

Die Chance in Crailsheim genutzt

So akzeptierte er die Offerte aus Crailsheim, die Nachfolge von Tuomas Iisalo anzutreten. Der Finne hatte mit den Merlins zuletzt zwei märchenhafte Spielzeiten hingelegt, und es gab genügend Skeptiker, die bezweifelten, dass Gleim diesen Erfolg würde fortsetzen können. Bislang hat er die Erwartungen aber mehr als nur erfüllt, auch weil er seine Rolle mit viel Ehrgeiz und Motivation ausfüllt. In der BBL stehen die Hohenloher auf dem siebten Platz und konnten sechs ihrer letzten acht Partien gewinnen. Im Pokal haben sie das Halbfinale erreicht und verfügen gegen Braunschweig über gute Chancen, ins Endspiel einzuziehen. Im internationalen Wettbewerb (FIBA Europe Cup) hat das Team die Vorrunde überstanden. Die Crailsheimer erleben nicht nur einen erfolgreichen Sebastian Gleim, sondern auch einen veränderten. Der Coach gibt seinen Akteuren mehr Freiheiten und setzt stärker auf Tempo als in Frankfurt. So stellt Crailsheim eine der attraktivsten und effektivsten Offensiven der Liga. Während Gleim am Main noch eine offensichtlich große Distanz zu seinem Team pflegte, wirkt er jetzt nahbarer und entspannter im Umgang mit seinen Spielern.

Bessere Rahmenbedingungen für Trainertalente

Sebastian Gleim hat gezeigt, dass es auch als deutscher Coach möglich ist, seinen Weg bis in die Bundesliga zu gehen. Aber die Rahmenbedingungen für junge Trainertalente müssen verbessert werden, damit er zukünftig auch einmal deutschen Kollegen gegenübersteht. Letztendlich ist Gleims Werdegang nicht nur untypisch, sondern eigentlich im deutschen Basketball gar nicht vorgesehen. Vereinfacht gesagt: In den traditionellen Basketballländern Süd- und Südosteuropas ist es durchaus üblich, dass ein junger Trainer sich im Jugendsektor seine ersten Sporen verdient, dann bei entsprechender Perspektive seine Chance als Assistenztrainer im Profibereich erhält und letztendlich den Sprung zum Head Coach auf höchster Ebene schafft. In Deutschland ist diese Durchlässigkeit kaum gegeben. Wer einmal Jugendtrainer ist, bleibt in der Regel im schlechtbezahlten Nachwuchsbereich hängen, in dem es bis auf wenige Ausnahmen extrem schwer ist, mit Basketball seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die wenigen Glücklichen, die den (ersten) Sprung als Co-Trainer zu den Profis schaffen, werden dort in der Regel zum Videoschneiden verdonnert. Die Gelegenheit, ihre Fähigkeiten als Trainer zu präsentieren und zu entwickeln, erhalten sie kaum. Entsprechend ist der Berufswunsch „Basketballtrainer“ im deutschen Sport nicht häufig zu finden – und das muss sich ändern!

Euer