Warum sich die Euroleague nicht vor der NBA verstecken muss

Noch nie war die Euroleague stärker als in dieser Saison. Hochkaräter wie Shane Larkin oder Nikola Mirotic versüßen den Fans des europäischen Basketballs unter der Woche die Zeit bis zu den nächsten Bundesligaspielen. Mit Meister Bayern München und dem Vize Alba Berlin spielen zwei deutsche Teams in der europäischen Eliteliga. Ich möchte beleuchten, was die Euroleague ausmacht, und die Frage beantworten, warum Sie sich vor der NBA nicht verstecken muss.

Der lebende Beweis: Luka Doncic

Ganz vereinfacht könnte die Antwort „Luka Doncic“ lauten.  Der 20jährige Slowene ist zum jetzigen Zeitpunkt neben James Harden, LeBron James und Giannis Antetokounmpo ein MVP-Kandidat in jener Liga, die mit grenzenlosen Selbstvertrauen ihren Meister zum „World Champion“ kürt. Kein Spieler verdeutlich stärker als das europäische Wunderkind, wie nah der Spitzenbasketball auf dem Alten Kontinent der einstmals in eigenen Sphären schwebenden nordamerikanischen Profiliga gekommen ist. Doncic wurde in Europa groß und gewann 2018 mit Real Madrid die Euroleague, wobei er im Saisonverlauf 16 Punkte, 4,8 Rebounds und 4,3 Assists erzielte. Seine aktuellen Zahlen in der NBA sind schlicht und einfach herausragend: 29,0 Punkte, 9,5 Rebounds und 8,9 Assists. Auf der einen Seite kommen diese Werte zustande, weil die Spielzeit acht Minuten mehr als in Europa beträgt, andererseits befindet sich Doncic in einem Alter, in dem er sich noch ständig verbessert. Aber letztendlich untermauern Sie vor allem Eines: Die Euroleague ist verdammt nahe am NBA-Niveau dran.

Individuelles Talent versus taktische Komplexität

Die besten Spieler der Welt tummeln sich in der NBA, aber der beste Basketball der Welt wird in der Euroleague gespielt – das klingt überspitzt, aber es lassen sich durchaus Argumente für diese Aussage finden. Natürlich ist der individuelle Talentlevel in der NBA weiterhin unerreicht, insbesondere im athletischen Bereich versammelt sich dort das Nonplusultra. Aber in einem Euroleague-Spiel ist jede Sequenz hoch umkämpft, anders als in der NBA, wo die Intensität deutlich volatiler ist. Das kommt auch daher, dass es in Europa weniger Partien gibt und somit jede einzelne eine größere Bedeutung gewinnt. Die Hauptrunde in der NBA umfasst 82 Spiele, was dazu führt, dass die Stars auch hier und da geschont werden. Load Management in der Euroleague? Fehlanzeige!

Starke Verteidigung spielt in Europa eine deutlich wichtigere Rolle. Die taktische Komplexität ist größer als in der NBA, wo das 1-1 stärker im Vordergrund steht. Das erkennen mittlerweile auch die Amerikaner an. Als Larry Brown, der als einziger Coach einen College- und NBA-Titel gewonnen hat, in der vergangenen Saison im Alter von 77 Jahren in Turin erstmals in Europa coachte, sagte er: „Allgemein wird angenommen, dass die besten Coaches Amerikaner sind. Jedes Mal, wenn ich ein Eurocup- oder Euroleague-Spiel sah, musste ich darüber lachen, weil mich das Niveau des Coachings so sehr beeindruckte.“ Die Rolle der Amerikaner als Lehrer und die der Europäer als Schüler ist längst aufgebrochen zugunsten eines Transfers in beide Richtungen. Spätestens die WM in China im September öffnete den letzten Unbelehrbaren die Augen. Die – wenn auch ohne absolute Topstars angetretene – NBA-Auswahl der USA belegte einen enttäuschenden 7. Platz.

Europa holt auch finanziell auf

Die Euroleague hat sich mittlerweile so gut etabliert, dass auch etablierte NBA-Profis nach Europa kommen bzw. zurückkehren. So gelang es den Bayern, mit dem 29Jährigen Greg Monroe einen gestandenen NBA-Center (Karrierewerte 13,2 Punkte und 8,3 Rebounds) im besten Basketballalter nach München zu lotsen. Das prominentestete Beispiel ist aber Nikola Mirotic. Der 28Jährige unterschrieb nach fünf produktiven Jahren in Nordamerika einen Dreijahresvertrag in Barcelona, der ihm angeblich 4,5 Millionen Euro netto pro Saison einbringen soll. Qualität kostet Geld. In der Euroleague ist genügend Geld vorhanden, und entsprechend hoch ist das sportliche Niveau. Die Topteams agieren mit Budgets von über 40 Millionen Euro. Davon ist sind die Münchner mit geschätzten 23 Millionen Euro Etat noch weit entfernt, während die Berliner mit (ebenfalls geschätzten) 11 Millionen nur noch von Roter Stern Belgrad unterboten werden.

Mit den Big Men Johannes Voigtmann (ZSKA Moskau) und Tibor Pleiß (Anadolu Efes Istanbul) stehen zwei deutsche Akteure bei ausländischen Euroleague-Topteams unter Vertrag. Am 27jährigen Voigtmann waren im Sommer auch die Washington Wizards aus der NBA interessiert. Doch der Ex-Frankfurter zog es vor, für 1,1 Millionen Euro netto pro Spielzeit aus dem spanischen Vitoria zum amtierenden Champion der Euroleague zu wechseln. Auch diese Entscheidung zeigt, wie die sportliche, organisatorische und auch monetäre Qualität der europäischen Königsklasse bewertet wird.

Quo vadis?

Mit dem aktuellen Format von 18 Mannschaften und den damit verbundenen 34 Hauptrundenspieltagen ist die Euroleague an eine Grenze gestoßen. Mehr geht nicht. Es sei denn, ihre Teams spielen nicht mehr in den nationalen Wettbewerben. Dieses Szenario ist aber leider nicht unrealistisch. Bereits jetzt verfügen elf Teams über sogenannte A-Lizenzen. Das bedeutet, dass sie sich sportlich nicht qualifizieren müssen. CEO Jordi Bertomeu wird diese Zahl weiter erhöhen und eine Qualifikation über die nationalen Ligen komplett ausschließen. Eine geschlossene Gesellschaft wie in der NBA passt nicht in die europäische Sportlandschaft, aber die Euroleague nähert sich in vielen Bereichen dem großen Vorbild an.

Ich wünsche Euch ein glückliches und gesundes 2020.

Euer